Im Winter 2019 war ich in Patagonien mit einer guten Freundin, Sylvia. Das Wetter war in den Bergen oft Niederschlagsreich und es gab nur kurze Gutwetterfenster. Fast schon am Ende unseres Trips tut sich aber doch noch ein 2-Tage Wetterfenster auf. Kurzentschlossen habe ich mich mit einem Freund, den ich hier kennengelernt hatte, zusammen getan um auf die Poincenot zu klettern, da er auch noch nicht oben war, Phil.
Die weitere Planung sah so aus, dass wir bis zum Trekkingcamping absteigen und ich da auf Sylvia treffe um dann mit ihr noch weiter ins Camp beim Lago Sucia zu gehen um am nächsten Tag die Aguja de L’S zu begehen.
Poincenot – „Whillans-Cochrane“, 550m 5+ 70° M4
Wir gehen um Mittag rum in El Chalten los mit dem Plan an der Laguna de los Tres einige Stunden zu schlafen und dann ein bisschen früher los als im eigentlichen Camp vom Paso Superior.
Der Biwakplatz ist perfekt, flach mit Wasser.
Unser Biwakplatz, links oben am Horizont unser Ziel: Poincenot
Um 23:00 geht der Wecker. Wir sind motiviert und das Wetter ist perfekt. Der Mond ist leider nicht da und es ist stockfinster. Um 23:30 gehen wir los auf dem Gletscher und es geht richtig locker Richtung Paso Superior nur mit der Kletterausrüstung. Hier ist auch bereits reges Treiben im Gange als wir um 1:30 vorbei kommen. Die Leute gehen alle Richtung Fitz Roy.
Wir lassen uns nicht lange aufhalten und ziehen direkt zur Poincenot. Die grossen Querspalten umgehen wir einfach. Den Einstieg zu finden ist bei Licht kein Problem aber in dieser unglaublich dunkeln Nacht war das sicher die Schlüsselstelle.
Wir kommen um 3:15 Uhr am 1. Standplatz an und machen uns bereit zum Klettern. Wir wollen die geneigte Rampe zusammen am gestreckten Seil klettern und die beiden Schlüssellängen an deren Ende dann durchsichern. Alles läuft super, perfekte Verhältnisse also ziemlich einfach zu gehen. Sooo cool sich in diesem Gelände so agil bewegen zu können, ich bereue keine Minute vom harten Training zu Hause.
Die Schlüssellängen fliegen an uns vorbei, Phil steigt die erste vor und die 2. mache ich im Vorstieg. Viel einfacher als wir uns gedacht hatten. Als ich auf der Schulter des Berges Phil nachsichere geht die Sonne gerade erst auf. Es ist erst 6:00 und wir haben die stark verhältnisabhängige Rinne bereits hinter uns.
Die linke Schneerampe gab es zu finden Rock’n’Roll time!! Wiiihaaaaa Torre-Gruppe, Blick nach Westen Am Ausstieg der Rampe
Weiter geht’s im Fels. Auch hier klettern wir alles simultan (zusammen am gestreckten Seil mit zwischensicherungen eingehängt) soweit, bis jemand keine Sicherungsausrüstung mehr hat, dann wechseln wir den Seiführer. Wir haben unten die Route perfekt gefunden und es ging schnell dahin. Nach einigen Seillängen habe ich kein Material mehr und wir wechseln an einem Standplatz, sodass Phil mit der Ausrüstung weiter Führen kann. Wir klettern leicht rechts raus in unglaublichem Fels und einmaliger Szenerie. Ein wahrer Genuss! Weiter oben (kurz unterm Gipfel) queren wir nach Links und müssen kurz 1 mal abseilen. Hier wird der starke Westwind spürbar. Wir machen besser etwas vorwärts, nicht dass das Wetter auf einmal umschlägt…
1 Seillänge später steige ich bereits am Gipfel aus. Das ging jetzt aber schnell. Ich sichere Phil nach und wir setzen uns ein wenig in die Ostseite des Gipfels und machen eine kurze Pause. Es ist 8:00 Uhr morgens. Der Wind ist stark und am Fitz Roy hat es bereits Wolken um den Gipfel. Auch am Cerro Torre drücken bereits die Wolken drüber.
Wir haben mit Sicherheit die richtige Routenwahl getroffen, da ein klettern bei diesen Verhältnissen mit Kletterschuhen und ohne Handschuhe nur bedingt möglich gewesen wär.
im unteren Teil des Felsteils Phil führt uns nach Rechts durch die superschönen Risse Happy am Gipfel Fitzroy in Wolken. Falls jemand die Verhältnissmässigkeit verstehen will, empfehle ich dieses Bild in hohen Qualität anzuschauen und beim Schneegrat in Bildmitte die Personen zu finden!;) Wolken drücken vom Cerro Torre her Phil kommt am Gipfel an
Wir beginnen einen Abseiler in E-Richtung auf eine Eisrampe. Der Wind ist wirklich stark. Phil verliert ein Brillenglas seiner Sonnenbrille aufgrund des starken Winds (es war bereits ein wenig kaputt). Noch eine Abseillänge später kommen wir auf die Schulter, bei der wir nach Links gequert hatten im Aufstieg.
Jetzt wirds unangenehm, da die Wolken vom Cerro Torre zu uns kamen wie ein Schnellzug und uns der Wind und die Niederschläge mit voller Wucht trafen. An diesem Ort in solch Wetter zu geraten kann man sich nur ein bisschen vorstellen, denn es ändert sich alles, wenn man dann wirklich mal so weit ist und es miterlebt. Wir seilen mit nur einem Halbseil ab, da uns der Wind sonst die Seile irgendwo in den Blöcken oder Rissen verklemmen würden. Alles läuft super, wir sind speditiv und finden sofort Standplätze und den richtigen Abzweiger zur Schulter zurück in die Rampe auf der Ostseite. Endich, nach dem 1. Abseiler in der Rampe merken wir den Wind nicht mehr und es läuft alles perfekt zurück bis zum Gletscher, es ist 11:00 Uhr.
Den restlichen Abstieg zurück zum Lago de los Tres rasen wir hinunter, aufhalten lassen wir uns hier von nichts mehr.
einer von vielen Abseiler Hola, Schlechtes Wetter im Anmarsch Endlich kein Wind mehr Phil in der Rampe beim Abseilen Im Abstieg gleich unterhalb Paso Superior
Der nächste Treffpunkt für mich ist 17:00 beim Trekkercamp mit Sylvia. Wir legen uns hin, wir sind müde. und ich schlafe sofort ein, bis mich das Einpacken von Phil weckt. Es ist bereits 15:30, ich muss auch los um Sylvia zu treffen. Hoffentlich bringt sie Empanadas, ich bin so hungrig und müde!
Wer mich kennt weiss, wenn ich in die Berge gehen kann, bin ich immer motiviert und auch müdigkeit macht mir nicht sehr viel aus. Aber heute ist es anders. Wir waren gerade 16h unterwegs und haben gegen den Wind gekämpft. Insgeheim hoffte ich, dass Sylvia nicht kommt. Entgegen meiner Hoffnung traf ich Sylvia wie vereinbart. Wir verabschieden uns von Phil, welcher ins Tal absteigt und gestärkt nach etwa 5 Empanadas machen wir uns auf den Weiterweg zum Camp am Laguna Sucia.
Aguja de L’S – „Austriaca“, 350m 50° 6a
Der Wecker klingelt bereits wieder um 2:30. Müüüüüüdeeeee!
Ich will aber mit Sylvia unbedingt noch auf dem Gipfel stehen, vorallem da wir am nächsten Tag nach Hause abreisen müssen.
Der Wetterbericht meldet ab 16:00 Uhr schlechtes Wetter (da will keiner mehr am Berg sein – versprochen!!;) ) also gehen wir davon aus, dass das Wetter bereits um 14:00 Uhr schlecht sein wird, wie es eigentlich meistens der Fall ist in Patagonien.
Der Linke „kleine“ Berg ist das Ziel von heute, Auf dem 2. von rechts stand ich 22h bevor dieses Bild entstand
Wir gehen um etwa 3:30 Uhr los vom Zelt nur mit der Kletterausrüstung bestückt und kommen gut voran. Am oberen Biwakplatz treffen wir noch ein paar Leute aber diese wollten alle an andere Routen und Berge als wir.
Kurz vor dem Einstieg am Berg geht die Sonne auf. Perfektes Timing!! WOOOOHOOOOO Klettern in Patagonien, die Euphorie ist hoch, da die Felsen für ein mal wirklich trocken zu sein scheinen und ein Klettern in Kletterschuhen unglaublich entspannt klingt!
Das Schneefeld was unser Einstieg, dann weiter an der offensichtlichen Verschneidung auf die Schulter Sonnenaufgangsstimmung
Die Bergschrund ist ein wenig zickig und ich umgehe ihn über Felsen auf der rechten Seite, den Rest des Schneefelds begehen wir gemeinsam am gestreckten Seil. Als ich auf kompakte Felsen stosse mache ich Stand und sichere Sylvia nach. Hier wechseln wir auf Kletterschuhe (im Nachhinein eine Seillänge zu früh). Ab hier sollten es laut Topo 6-7 Seillängen bis zum Gipfel sein. Die Kletterei genussreiche, z.T. mit Schnee gefüllte Verschneidungskletterei in kompaktem Fels. Die Seillängen meist 60 gestreckte Meter. Auf der Ostseite merken wir noch nichts vom erneut ziemlich brutalen Wind. Als wir auf die Schulter kommen wird alles wieder klar, wir müssen ein bisschen zügig sein um nicht auszukühlen.
in der 1. Seillänge noch einiges an Schnee Schöne Verschneidungen sichtlich geniessend der Weiterweg, richtig wäre auf der Kante links Blick durchs Felsenfenster zur Torre-Gruppe
Ich treffe die „falsche“ Entscheidung auf der Schulter nach rechts zu offensichtlichen Risssystemen zu queren. (Richtig wäre auf der Gratkante zu bleiben)
Die Risse klettern sich unglaublich geil und die Kletterei ist anspruchsvoll. Bald komme ich an eine Stelle bei der ich gerade weiter nicht wirklich eine mögliche Lösung fand und so querte ich über eine feine „Psychoplatte“ auf die Gratkante zu einem Stand welchen ich noch mit Friend verbessern kann. Sylvia steigt alles souverän und ohne grössere Probleme nach. Die folgenden 2 Seillängen sind ein wahrer Genuss und wir kommen bei totalem Sturm auf dem Gipfel an. Die Aussicht ist beeindruckend schön und wir freuen uns!
Steil isch geil!!! Wir nehmen uns dafür die super Risse für den weiteren Aufstieg Sylvia im wunderbaren Fels dieser super Berge unglaubliche Felsstrukturen Genusskletterei Happy Cuuumbreee!:D
Die Abseilerei ging nicht ohne Probleme, denn die störrischen Seile wollen entgegen dem Wind nicht nach unten fallen!! Wer’s nicht sebst erlebt hat glaubt’s sowieso nicht!;)
Ich lasse also Sylvia jeweils die 60m am Halbmastwurf ab und seile selbst dann an den Seilen, welche bereits unten sind, ab. 1-2 Seilverhänger und etwa 10 Abseiler später stehen wir auf dem flachen Gletscher. Dieser zurück zu gehen ist bei den Temperaturen und den dünnen Spaltenbrücken etwas Psycho, kann uns jetzt aber auch nicht mehr aufhalten.
Blick zum See und unserem Biwakplatz an dessen oberen Ende
Zurück am Zelt sind die Berge in Wolken gehüllt, 14:30 Uhr. Traurigerweise haben an diesem Tag 2 Seilschaften den Fitzroy versucht ( Phil und ich haben noch mit ihnen gesprochen in unserem Abstieg und ihrem Aufstieg) . 3 der 4 Personen sind jetzt nicht mehr unter uns, da sie im schlechten Wetter und Sturm nicht mehr vorwärts und zurück gehen konnten. Ein gutes Beispiel, was eine falsche Entscheidung in Patagonien für Folgen haben kann… Nichts ist hier wichtiger, als die eigene Leistungsfähigkeit und Bergerfahrung richtig einzuschätzen und eine zurückaltende Tourenplanung!
Die Müdigkeit war brutal, der Weg zurück nach El Chalten eine Tortur. Aber irgendwie habe ich mir das noch schlimmer vorgestellt, denn im Tal wartet auf uns ein Asado und am nächsten Tag die super Abschlussparty vom Rock al Viento-Festival, von welchem aus wir dann gleich direkt am Morgen um 4:00 Uhr unser Taxi zurück zum Flughafen nehmen.
Danke an Sylvia und Phil für die super Tage am Berg!!